Jazz in den Medien

Die Entwicklung der Medienlandschaft auch im Jazz ist momentan schwer vorhersehbar. Die anhaltende Digitalisierung hat einen Prozess tiefgreifender Veränderungen in Gang gesetzt, der noch lange nicht zu Ende ist. Aber trotz enorm gewachsener Bedeutung von Digital Service Providers wie Apple Music, Spotify oder Deezer sind die „klassischen“ Medien weiterhin von Bedeutung für Jazz und Improvisierte Musik. Dies zeigt sich auch heute noch in den Feuilletons und auf den Kulturseiten nicht weniger Tageszeitungen ebenso wie in der Berichterstattung der drei Jazz-Printmagazine.

Besonders der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat eine lange und reiche Tradition in der Verbreitung und Produktion von Jazz und Improvisierter Musik. Allerdings sehen sich die ARD-Sender einem enormen Reformdruck hinsichtlich Finanzierung und Digitalisierungsstrategien ausgesetzt. In diesem Zusammenhang drohen drastische Kürzungen und erhebliche Qualitätseinbußen der Programme, allen voran in den Kulturradios der jeweiligen ARD-Anstalten.

Jazz im Hörfunk/ARD

Über Jahrzehnte waren die Jazzredaktionen der ARD eine sichere Bank für eine fundierte Berichterstattung und Kritik im Bereich Jazz und Improvisierte Musik. Gleich nach Ende des Zweiten Weltkriegs wurden in den nach dem Vorbild der britischen BBC gegründeten, öffentlich-rechtlichen Sendern Deutschlands (vor allem in den drei westlichen Besatzungszonen) Jazzredaktionen eingerichtet, wie zum Beispiel beim NWDR in Köln (später WDR in Köln und NDR in Hamburg) oder beim SWF in Baden-Baden. So ging Dietrich Schulz-Köhn (auch bekannt als „Dr. Jazz“) ab 1948 beim NWDR in Köln mit seiner Reihe „Jazz-Almanach“ auf Sendung. Im SWF (später SWR) war der „Jazzvermittler“ Joachim-Ernst Berendt zwischen 1947 und 1987 Leiter der Jazzredaktion.

Bis heute ist Jazzvermittlung durch die Hörfunk-Sendungen einer der Grundpfeiler für die ARD-Jazzredaktionen mit ihren monatlich mehr als 150 Sendestunden zwischen 20 und 24 Uhr. Schon frühzeitig traten Jazzredakteur:innen auch als Koproduzent:innen für Plattenproduktionen mit regionalen, nationalen und internationalen Musiker:innen in Erscheinung. Viele der zumeist unabhängigen Jazzlabels hätten ohne die Unterstützung der öffentlich-rechtlichen Jazzradios kaum Alben produzieren und veröffentlichen können.

Zudem werden bis heute nicht nur zahlreiche Jazzfestivals und -konzerte aufgenommen, um diese entweder live oder zu einem späteren Zeitpunkt als Mitschnitte in einer der Sendestrecken auszustrahlen, sondern man tritt auch selbst als Veranstalter in Erscheinung – wie zum Beispiel beim Deutschen Jazzfestival Frankfurt oder bis 2019 mit dem WDR 3 Jazzfest. Und drei ARD-Anstalten vergeben eigene Jazzpreise: WDR Jazzpreis, SWR Jazzpreis und Jazzpreis Berlin vom Land Berlin und rbb.

All das ist akut bedroht, wenn im Zuge der bevorstehenden Neuausrichtung und Umstrukturierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks Produktions- und Personalkosten durch Ausdünnung im linearen Programm bisher unbekannten Ausmaßes massiv eingespart werden. „Die Rundfunkanstalten der ARD planen für ihre Radioangebote derzeit die Zusammenlegung von Sendestrecken ihrer Kulturwellen“, so der Arbeitskreis Medien der Deutschen Jazzunion in einer Stellungnahme Anfang November 2023.

Weil der Jazz in den Hörfunkprogrammen der ARD-Kulturradios in der Regel abends stattfindet, werden die Jazz-Sendungen von der Umstrukturierung mit am stärksten betroffen sein. Anstelle der bisherigen Vielfalt mit eigenen regionalen Jazzprogrammen wird es im linearen Hörfunk der ARD nur noch vier Jazzsendungen insgesamt in der Woche geben, die am Abend bundesweit ausgestrahlt werden.

Auch wenn die ARD seit Bekanntwerden ihrer Reformpläne für die Kulturradios betont, dass die Verluste für den Jazz im linearen Hörfunk durch digitale Angebote kompensiert würden, bleibt dennoch vieles unklar. Im Internet soll es eine „Landing-Page” geben, auf der das Gros der Jazzaktivitäten der ARD Platz finden soll. Bislang hat die ARD aber noch nichts darüber verlauten lassen, welche Inhalte wie von den Jazzredaktionen der Kulturradios dafür produziert werden – und wie hoch der Etat dafür überhaupt sein wird.

Starten soll diese Reform direkt nach dem ARD-Radiofestival 2024 Mitte September, mit dem seit 15 Jahren das Zusammenlegen der Abendstrecke in den Kulturwellen geprobt wird. Für den Jazz in der ARD bedeutet das dann: An zwei Abenden in der Woche soll es Sendungen mit allgemeinen Jazzthemen geben, an den anderen zwei Abenden sollen Jazzredaktionen der ARD miteinander kooperieren, um Regionales im Programm abbilden zu können.

Gerne wird vergessen zu erwähnen, dass sich das Radio trotz der Online-Konkurrenz weiterhin großer Beliebtheit erfreut, auch bei jüngeren Hörer:innen. Mit über 27 Prozent lag die Nutzungszeit von Radio im Jahr 2022 noch vor allen anderen Musikmedien, inklusive Audio-Streaming. Damit stieg die Bedeutung des Radios sogar im Vergleich zu 2021 von 22 auf 27 Prozent.

Entsprechend relevant ist das Radio für die Präsenz und Wahrnehmung von Künstler:innen, besonders wenn es um lokale Künstler:innen und Newcomer geht; ganz abgesehen vom Einfluss auf die Einkünfte von Musikschaffenden – die GEMA-Vergütung solcher Ausstrahlungen stellt einen nicht unwesentlichen Anteil von deren Einkommen dar. Eine Zentralisierung der Musikprogramme in den ARD-Kulturradios würde also nicht nur die ästhetische und stilistische Diversität und Vielfalt mindern, sondern auch die wirtschaftlichen Probleme vieler Musikschaffender verschärfen.

Jazz in den Tageszeitungen

Zwar gibt es in den Feuilletons der überregionalen Tages- und Wochenzeitungen eine Jazzberichterstattung ebenso wie auf den Kulturseiten lokaler Tageszeitungen – wie zum Beispiel in der Süddeutschen Zeitung, im Spiegel, in der ZEIT oder der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, aber auch im Mannheimer Morgen, in der Rheinischen Post oder im Kölner Stadtanzeiger. Doch um den Jazzjournalismus in Deutschland steht es nicht zum Besten, wie der Kulturredakteur des Berliner Tagesspiegels, Gregor Dotzauer, hervorhebt: „In den großen Feuilletons versuchen einige Unermüdliche, die Begeisterung für eine Musik wachzuhalten, die zwischen den Routinen des Klassikbetriebs und den Codes des Pop eigenwilligere Haken schlägt als je zuvor. Doch weil an einen Jazzredakteur nirgends zu denken ist, werden ihre Kräfte von Großereignissen aller Art aufgezehrt.“

Die Medienkrise, die den klassischen Qualitätsjournalismus per se seit Anfang der 2000er-Jahre fest im Griff hat und die spätestens mit Beginn der 2010er-Jahre durch die digitale Revolution und ihre verschiedenen Social-Media-Phänomene noch an Tempo zugelegt hat, bedeutete vor allem für den Diskurs zu Jazz und Improvisierter Musik das Aus.

Jazzmagazine

Lange Zeit war das Jazz Podium in Deutschland die einzige Fachpublikation in Sachen Jazz. 1952 gegründet, ist es in Europa das älteste noch erscheinende Jazz-Fachmagazin. Über viele Jahrzehnte gab es neben Artikeln und Porträts über nationale und internationale Jazzmusiker:innen auch Service-Rubriken wie „On The Road“ oder „Jazz Education“ zu lesen. Anfang 2019 hat das Jazz Podium neue Besitzer bekommen. Seitdem wird dieses Schlachtschiff der deutschen Jazzpublizistik professionalisiert. Ziel ist es, nicht mehr nur über Jazz und Improvisierte Musik zu berichten, sondern auch Verbindungen zu anderen Künsten und gesellschaftlich relevanten Themen herzustellen.

1987 ging die Jazzthetik aus Münster an den Start. In den ersten anderthalb Jahrzehnten stand inhaltlich vor allem die jazzmusikalische Avantgarde im Mittelpunkt. Auch um sich vom Mitbewerber Jazz Podium abzusetzen, kamen anfangs keine Musiker:innen-Fotos auf das Cover, sondern abstrakte Gemälde – getreu dem Untertitel „Magazin für Jazz & anderes“. Seit geraumer Zeit gibt es Fotos auf den Titeln zu sehen, auch inhaltlich hat man die reine Lehre der Avantgarde hinter sich gelassen und bietet in Artikeln und Porträts, in Interviews, Kolumnen und Rezensionen ein breites Spektrum an verschiedenen jazzmusikalischen Themen.

Bislang jüngstes Jazzmagazin in Deutschland ist Jazz thing, 1993 in Köln gestartet. Von Anfang an wollte dieses Magazin der Gattung Jazz mit einem auffälligen Design einen zeitgemäßen Look geben. Spürte dieses Magazin in den ersten Jahren noch Jazz-Vibes in eher Jazz-ferner Musik nach – wie zum Beispiel HipHop, Soul oder den Musikkulturen – und behandelte gut zehn Jahre lang Salsa, Flamenco, Son, Sahara-Blues, Balkan Brass, Samba, Afrobeat, Fado, Bossa Nova & Co. in der separaten Beilage Blue Rhythm, sind inzwischen diese und viele weitere Stile so selbstverständliche Teile der musikalischen Realität geworden, dass sie mittlerweile gleichberechtigt im Hauptheft stattfinden.

1976 wurde die Jazzzeitung von Sepp Dachsel gegründet, damals noch unter dem Namen Jazz-Nachrichten. 1982 übernahm Hans Ruland die Herausgeberschaft und machte aus der ursprünglich in München und Bayern erscheinenden Jazzzeitung eine bundesweite Publikation für Jazz und Improvisierte Musik. Ende 1997 übernahm der Regensburger ConBrio Verlag die Jazzzeitung zunächst als Monatszeitschrift, von 2002 an als Supplement der Neuen Musikzeitung. Seit 2015 gibt es diese Fachzeitung ausschließlich online.

Jazz im Web

Im Onlinebereich gibt es mittlerweile zahlreiche Webseiten, die ein breites inhaltliches Spektrum abdecken. Von individuellen Liebhaberseiten über regional ausgerichtete Podcasts und Infoseiten bis hin zu Promo-Tools großer Plattenlabels ist alles dabei – wie zum Beispiel die Jazzpages mit Infos über die Szene in Rhein-Neckar, Jazzcity des Musikjournalisten Michael Rüsenberg oder Jazz Echo der Major-Company Universal Music Group. Diese Seiten bereichern zwar die mediale Landschaft, sind aber kein Ersatz für redaktionell aufbereitete Inhalte der Printmedien und Hörfunksender.

Anders als seine Mitbewerber hat Jazz thing einen eigenen, richtigen Online-Auftritt. Um den Aktualitätsverlust durch die fünfmalige, jährliche Erscheinungsweise der Printausgabe aufzufangen, werden zweimal wöchentlich die „Jazz thing News“ als E-Mail-Newsletter verschickt. Es gibt Platz für rein digitale Formate wie den frühen Podcast „Community Talk“ oder Blogs wie „viral/postviral“ als eine Art digitales Dossier über die Folgen der Corona-Krise für die Jazz- und Musikszene. Ergänzt wird der Onlineauftritt durch Jazzthing.TV, ein monatliches Mixtape auf dem Webradio ByteFM und eine Kooperation mit der britischen App jazzed. Diese Kombination aus Text, Ton und Bild ist exemplarisch für die in Zukunft immer mehr stattfindende Auflösung der Grenzen zwischen den klassischen Formaten Fernsehen, Radio und Zeitung.

Podcasts sind im Jazz in Deutschland bislang nur vereinzelt zu finden. So hat JazzMoves Hamburg, das ansonsten über das Jazzleben in der Hansestadt informiert, mit JazzMoves Schnack einen von der Saxofonistin Stephanie Lottermoser moderierten Podcast am Start und für die IG Jazz Berlin bringen die beiden Moderator:innen Caro Olbertz und James Banner im zweiwöchentlichen Wechsel neue Folgen von B:Jazz heraus, in denen sie sich mit verschiedenen Aspekten nicht nur der Hauptstadt-Szene beschäftigen.

Mittlerweile findet man auch Youtube-Channels zu Jazz und Improvisierter Musik. So informiert etwa das in Köln ansässige Jazzrock.TV nicht nur über vieles aus Jazz, Rock und Fusion, sondern dieser Sender schneidet auch Konzerte mit und zeigt zudem aus dem Kölner Sendestudio Auftritte auch bekannter Musiker:innen. Pablo Held hat vor geraumer Zeit seinen Youtube-Kanal „Pablo Held investigates“ an den Start gebracht. Nahezu 10.000 Subscriber verfolgen regelmäßig die Interviews, die der Kölner Pianist mit Freund:innen und Weggefährt:innen sowie internationalen Jazzgrößen führt, aufzeichnet und auf seinem Kanal veröffentlicht.

Jazz im Fernsehen

Das Fernsehen spielt bei der medialen Vermittlung des Jazz keine Rolle. Wenn überhaupt laufen zu nächtlicher Stunde aktuelle oder historische Mitschnitte einzelner Jazzkonzerte oder Festivals meist in den Dritten Programmen von ARD Fersehen. Die Gemeinschaftsprogramme von arte und 3sat zeigen sporadisch nationale und internationale Dokumentationen und Festival- und Konzertmitschnitte, die Jazz zum Gegenstand haben. In den Kultursendungen vom ARD Fernsehen und ZDF kommen Jazz und Improvisierte Musik selten vor, ganz zu schweigen von den privaten Fernsehsendern.

Jazz im Privatradio

Auf einigen Bürgerfunkkanälen in Deutschland finden Jazz und Improvisierte Musik statt – wie zum Beispiel „Jazz 91.8“ auf radio X in Frankfurt, „Jazz und mehr“ auf Radio Z Nürnberg, „Jazzology“ auf bermuda.funk Mannheim oder „JazzZeit“ auf Radio Unerhört Marburg. Zudem sendet das Nürnberger Jazzstudio jeden Donnerstag seine „Jazz Time“ auf der Frequenz des privaten Radio F. Seit fast 30 Jahren ist zudem das private Jazzradio Berlin mit seinen Sendungen „live on air“.

Ziele & Handlungsempfehlungen

  • Erhalt und Stärkung der Jazzredaktionen im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und ihrer Budgets in den Anstalten; Erhalt der Ressourcen für die Transformation ins Digitale
  • Kein Abbau des Umfangs der Jazzsendung im öffentlich-rechtlichen Rundfunk
  • Jazz als Teil des öffentlich-rechtlichen Programms; keine weitere Reduzierung der linearen Sendungen und regelmäßige Platzierung im Hauptprogramm
  • Mehr Mitschnitte von Live-Konzerten aus Spielstätten sowie angemessene Mitschnitthonorare für Künstler:innen
  • Erhalt der vier ARD-Bigbands