Initiative Musik

Die Initiative Musik gemeinnützige Projektgesellschaft mbH (IniMu) stellt seit ihrer Gründung 2007 eine zentrale Säule in der Förderung der musikwirtschaftlichen Vielfalt und Kreativität in Deutschland dar – insbesondere im Bereich der populären Musik, zu der neben Rock- und Popmusik explizit auch der Jazz gezählt wird. Träger der IniMu sind die Gesellschaft zur Verwertung von Leistungsschutzrechten und der Deutsche Musikrat.

Als zentrales Förderinstrument des Bundes ist es der Auftrag der IniMu, Einzelkünstler:innen, Ensembles und Projekte zu fördern, Preise zu verleihen und so die Musiklandschaft in Deutschland zu bereichern. Es wurde eine Vielzahl von Förderprogrammen ins Leben gerufen, darunter die Künstler:innenförderung, der Deutsche Jazzpreis, der APPLAUS („Auszeichnung der Programmplanung unabhängiger Spielstätten“), Exportförderungen, die Strukturförderung, 2023 zuerst eine Förderung für Live-Musikveranstalter:innen mit „Live500“, seit 2024 dann der „FestivalFörderFonds“ mit einem Budget von fünf Millionen in 2023.

Während der Corona-Pandemie ist die IniMu im Rahmen der NEUSTART-KULTUR-Förderung stark gewachsen, hatte neue Infrastruktur- und Programmförderungen aufgesetzt und insgesamt zwischen 2020 und 2022 mehr als 220 Millionen Euro Fördergelder an Künstler:innen, Festivals und Spielstätten ausgezahlt.

Ein grundsätzliches Problem besteht in der explizit musikwirtschaftlichen Ausrichtung der Initiative Musik. Sie wurde gegründet als Förderinstrument für die Musikwirtschaft in Deutschland. In dieser Konzeption kann sie mit ihren wirtschaftlich orientierten Förderbedingungen den Besonderheiten der Kunstform Jazz und ihrer Akteur:innen nicht vollständig gerecht werden. Dieser Missstand zeigt sich seit Beginn. So erhalten Projekte, Veranstalter:innen und Künstler:innen zwar Anschubfinanzierungen oder Unterstützung bei Veröffentlichungen von Tonträgern, ersten Tourneen, Investitionen oder nicht-musikalischen Festivalschwerpunkten, können aber nicht langfristig im Sinne einer Kulturförderung unterstützt werden. 

Künstler:innenförderung

Die Künstler:innenförderung ist das älteste zentrale Förderinstrument der IniMu, das Musiker:innen und Bands dabei unterstützt, ihre Projekte von Albumproduktionen über Promotion-Maßnahmen bis hin zu Live-Auftritten zu realisieren. Während diese Unterstützung entscheidend ist, um künstlerische Visionen Wirklichkeit werden zu lassen, liegt die aktuelle Maximal-Künstler:innen-Gage von 250 Euro pro Antrag unterhalb der vom Deutschen Musikrat empfohlenen Honoraruntergrenze von 675 Euro pro Tag. Eine stufenweise Anhebung auf diese Gage, zumindest auf die Honoraruntergrenze der Deutschen Jazzunion, würde nicht nur die Wertschätzung der künstlerischen Arbeit erhöhen, sondern auch die finanzielle Belastung für die Künstler:innen spürbar reduzieren.

Der momentan aufzubringende Eigenanteil der antragstellenden Künstler:innen in Höhe von mindestens 40 Prozent stellt eine erhebliche Hürde für viele Musiker:innen dar. Im Rahmen von NEUSTART KULTUR wurde dieser Eigenanteil zeitweise auf zehn Prozent gesenkt – eine Maßnahme, die sich positiv auf die Zugänglichkeit der Fördermittel ausgewirkt hat. Eine dauerhafte Anpassung des Eigenanteils auf zehn Prozent würde die finanziellen Risiken reduzieren und eine Antragstellung zugänglicher machen. Die Anträge aus dem Jazzbereich innerhalb des Förderprogramms liegen bei ca. 20 bis 25 Prozent aller gestellten Anträge.

Deutscher Jazzpreis & APPLAUS

Der Deutsche Jazzpreis und der APPLAUS sind beispielhaft für die Anerkennung von herausragenden Leistungen und Engagement im Bereich des Jazz und der Live-Musik. Sie ehren sowohl Künstler:innen als auch die Betreiber:innen von Spielstätten und Konzertreihen, die sich der Präsentation von Jazz und Improvisierter Musik widmen. Im Zusammenhang mit dem APPLAUS ist es wesentlich, die Kriterien für eine Antragstellung sachgemäßer zu definieren. Aktuell beschränkt sich dieser Preis auf Spielstätten und Reihen, die weniger als 40 Prozent an öffentlicher Förderung erhalten. Diese Regelung verhindert indes, dass bereits etablierte und auch erfolgreiche Veranstaltende ebenfalls ausgezeichnet werden.

Im Zusammenhang mit der Spielstättenförderung muss zudem erörtert werden, langfristige Förderansätze zu etablieren. Ein gezielter Ausbau der Infrastruktur würde die Bearbeitungszeiten für Projektförderungen reduzieren und Künstler:innen direkt entlasten.

Musikexport


Die Exportförderung der IniMu zielt darauf ab, Künstler:innen aus Deutschland international zu etablieren, indem Konzertreisen ins Ausland unterstützt, deutsche Showcases organisiert und nachhaltige Begegnungen initiiert werden. Momentan ist die Exportförderung, vor allem das Programm „Internationale Tourförderung“, im Vergleich zu erfolgreichen Modellen aus Skandinavien wie JazzDenmark und JazzNorway reformbedürftig – im internationalen Vergleich nimmt die Präsenz von Künstler:innen und Ensembles aus Deutschland ab. Die Antragstellung sollte flexibilisiert und die Prüfung beschleunigt werden, um den Prozess effizienter zu gestalten. Dadurch ließe sich schneller auf Konzert- und Tourneemöglichkeiten reagieren. Zudem sind die aktuellen finanziellen Zuschüsse von 120 Euro pro Konzert und Bandmitglied und Begleitpersonen (max. 600 Euro pro Person und Tour) deutlich zu niedrig angesetzt. Diese Beträge decken nicht die tatsächlichen Kosten, die bei internationalen Tourneen entstehen, und sind weit von den geforderten Honoraruntergrenzen entfernt, die notwendig sind, um den Lebensunterhalt der Künstler:innen sicherzustellen. Oftmals bedeuten internationale Tourneen sogar ein wirtschaftliches Verlustgeschäft, das aus privaten Mitteln ausgeglichen werden muss. Darüber hinaus fehlt es an einer langfristigen und strategisch durchdachten Idee für die Exportförderung, die nicht nur kurzfristige Projekte unterstützt, sondern auch den Aufbau von dauerhaften Beziehungen und Netzwerken im Ausland fördert. Diese strukturellen Schwächen unterstreichen die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform dieses Förderprogramms, um die internationale Wettbewerbsfähigkeit Künstler:innen aus Deutschland zu stärken und nachhaltig zu fördern.

Festivalförderung

Neu hinzugekommen ist der „FestivalFörderFonds“, mit dem die Vielfalt und Qualität von Musikfestivals unabhängig von bereits existierenden Landes- oder kommunalen Förderstrukturen unterstützt werden sollen. Mit einem Budget von fünf Millionen Euro für 2023 wurde ein Programm verstetigt, das unter NEUSTART KULTUR während der Corona-Pandemie die deutsche Festivallandschaft mit ca. 150 Millionen Euro unterstützt hatte. Trotz dieser wichtigen Schritte muss sich die Förderung noch mehr auf die spezifischen Bedürfnisse des Jazz ausrichten, weil Festivals ein starkes künstlerisches Programm sowie internationale Kooperationen und Austausch brauchen. In der ersten Ausgabe lag der Schwerpunkt insbesondere auf Nachhaltigkeit und Diversität, ohne aber die künstlerische Qualität in den Vordergrund zu stellen. Wir würden es begrüßen, wenn künftig die Programmqualität als primäres Kriterium für Förderentscheidungen herangezogen wird, jedoch auch Aspekte der Nachhaltigkeit und Diversität erfüllt sein sollten.

Um den Herausforderungen in finanziell unsicheren Zeiten entgegenzuwirken und sehr kurzfristige Förderzusagen zu vermeiden, sollte eine längerfristige Förderung einzelner Festivals mit internationaler Ausrichtung etabliert werden. Hierfür müssen qualitative Auswahlverfahren entwickelt werden, die nicht nur die künstlerische Exzellenz und das Innovationspotenzial der Festivals berücksichtigen, sondern auch deren Fähigkeit, internationale Netzwerke nachhaltig aufzubauen und zu pflegen. Dies würde den Festivals ermöglichen, langfristige Planungssicherheit zu erlangen und ihre Programme kontinuierlich weiterzuentwickeln, was essenziell für die Förderung und den internationalen Austausch im Bereich des Jazz ist.

Strukturförderung

Die Infrastrukturförderung der Initiative Musik ist aktuell das einzige Förderprogramm auf Bundesebene, welches „den Auf- und Ausbau von nachhaltigen Strukturen für die Popularmusik und Jazz in Deutschland“ unterstützt. Hier können sich Initiativen und Verbände aus dem Bereich Jazz und Improvisierte Musik bewerben, um beispielsweise die Durchführung von Studien oder den Aufbau von Plattformen und Strukturen fördern zu lassen. Voraussetzung ist dabei jeweils ein Eigenanteil von 25 Prozent, für die regionalen Projekte sind zusätzlich Drittmittel vom Land bzw. der Kommune nötig. Im Jahr 2022 wurden 26 Infrastrukturprojekte mit einer Fördersumme von insgesamt 1,2 Millionen Euro unterstützt, davon wurden vier Projekte aus dem Bereich Jazz und Improvisierte Musik gefördert. In der ersten Förderrunde des Jahres 2024 wurde von 17 bewilligten Projekten lediglich ein Projekt aus dem Bereich Jazz und Improvisierte Musik ausgewählt. Zahlen zum Verhältnis der eingegangenen Anträge in Gegenüberstellung zu den bewilligten aus dem Bereich Jazz und Improvisierte Musik wurden auf Nachfrage nicht zur Verfügung gestellt.

So wichtig und grundlegend dieses Programm für die Verbände ist, so unzulänglich ist es in seiner Gestaltung. Der sehr hohe Eigenanteil ist für die meisten Verbände nicht zu leisten, da diese in den meisten Fällen keine strukturelle Förderung durch Land und Kommune erhalten und sich nur durch die Mitgliedsbeiträge finanzieren. Somit ist schon die Hürde einer Antragstellung enorm. Da auch hier wieder der Ansatz einer Anschubfinanzierung zugrunde liegt, ermöglicht dieses Programm keine kontinuierliche Arbeit. Das Programm erlaubt den Aufbau von Strukturen, aber deren nachhaltige Nutzung und Ausbau sind nicht berücksichtigt.

Fazit

Die Initiative Musik soll das zentrale Förderinstrument für Jazz und Improvisierte Musik in Deutschland sein, kann dies ob ihrer musikwirtschaftlichen Ausrichtung aber nicht vollumfänglich leisten. Hier ergibt sich ein Dilemma für die Akteuer:innen und Strukturen des Jazz, da – bis auf den Musikfonds – andere Förderwege mit Verweis auf die IniMu (noch) nicht zur Verfügung stehen. So stellt sich trotz der Bedeutung der IniMu in der Praxis heraus, dass Bereiche wie die Künstler:innenförderung, die Exportförderung und das APPLAUS-Programm oft nur begrenzt nachhaltige Wirkungen erzielen. In einer Zeit begrenzter Budgets und steigender Kosten ist es umso wichtiger, dass der Bund seine Zusage einhält, angemessene Honorare zu gewährleisten. Derzeit führen Honorarobergrenzen (!) von 250 Euro in der Künstler:innenförderung und 120 Euro in der Exportförderung, verbunden mit der Anforderung, 40 Prozent Eigenanteil zu erbringen, dazu, dass die Antragstellung wenig attraktiv erscheint und ein Gefühl der Ausgrenzung entsteht. Auch die in den meisten Programmen sehr kurzfristigen Förderzu- und -absagen stellen die Antragstellenden vor große Herausforderungen, so beispielsweise Festivals, die ihre Abläufe nicht ein paar Tage vor Festivalbeginn verändern können.

Um die Förderprogramme effektiv neu auszurichten und den Jazz gezielt und nachhaltig zu unterstützen, ist eine Repräsentation der zentralen Jazzverbände in den entscheidenden Gremien unabdingbar. Die Integration dieser Organisationen, insbesondere der Bundeskonferenz Jazz (BK Jazz) und der Deutschen Jazzunion, in den Aufsichtsrat würde nicht nur eine fachkundige, sondern auch von der Jazzszene selbst legitimierte Vertretung sicherstellen. Diese Maßnahme gewährleistet, dass die Interessen des Jazz und der Improvisierten Musik adäquat vertreten und gefördert werden.

Die Prämisse, Musikförderung hauptsächlich unter kreativwirtschaftlichen Aspekten zu betrachten, wird der künstlerischen Realität und den spezifischen Bedürfnissen von Jazz und Improvisierter Musik nicht gerecht. Eine Neuausrichtung hin zu einem Ansatz, der die kulturelle und künstlerische Bedeutung stärker in den Vordergrund stellt, ist daher notwendig. Langfristig erscheint die Schaffung einer „Initiative Jazz“ mit Fokus auf Kulturförderung als eine zielführende Lösung.

Bis zur Realisierung einer solchen spezialisierten Einrichtung sind kurzfristige Anpassungen innerhalb der IniMu erforderlich, um eine angemessene Berücksichtigung des Jazz zu gewährleisten. Diese Anpassungen müssen darauf abzielen, die spezifischen Herausforderungen und Bedürfnisse der Jazzszene direkt anzugehen und eine ebenso inklusive wie gerechtere Förderlandschaft zu schaffen, die zu den vielfältigen Ausdrucksformen des Jazz passt.

Ziele & Handlungsempfehlungen für die Initiative Musik

  • Strukturelle Neuausrichtung: Aufteilung der Initiative Musik in einen künstlerisch-kulturellen und einen kreativwirtschaftlichen Zweig
  • Etablierung einer Personalstruktur mit Fokus auf und Expertise in Jazz und Improvisierter Musik in der Initiative Musik
  • Verstärkte Einbindung und Mitbestimmung: Vertretung der zentralen Verbände für Jazz im Aufsichtsrat der Initiative Musik
  • Abschaffung der Obergrenze für Gagenbezuschussung, Einführung verpflichtender Honoraruntergrenzen
  • Neuausrichtung der Exportförderung: Anpassung der Exportförderung, um im europäischen Raum und international anschlussfähig zu sein