Jazzbericht 2024
Musikfonds des Bundes
Der Musikfonds des Bundes wurde 2016 gegründet und nimmt laut seiner Präambel „hochambitionierte Musik in den Fokus, die Kunst als Selbstzweck, als existenziell-kreative Notwendigkeit oder Folge unabdingbaren Ausdruckswillens begreift und nicht kommerziell orientiert ist.“ Insbesondere in gesellschaftlich bewegten Zeiten und einem nahezu überall währenden Gebot von Wirtschaftlichkeit und Verwertungsdruck ist dies ein Schutzraum und Katalysator für unabhängige, innovative künstlerische Produktion und Präsentation der Freien Szene auf exzellentem Niveau.
Der Musikfonds hat die Förderung der aktuellen Musik in ihrer Vielfalt und Komplexität zum Ziel und nimmt „alle Genres, Schnittmengen, genreübergreifende und interdisziplinäre Ansätze avantgardistischer Musikproduktion“ in den Fokus, unter anderem „Neue Musik und zeitgenössische Moderne; experimentellen Jazz und improvisierte Musik; freie Musik und Echtzeitmusik; elektronische und elektroakustische Musik; experimentelle Pop- und Rockmusik; radikale Strömungen von DJing und Dance Music; Audio-Installationen und Klangkunst.“ Damit ist er auch ein wirksames Förderinstrument für Jazz und Improvisierte Musik in Deutschland.
Struktur
Der Musikfonds ist ein eingetragener Verein, der mit der Deutschen Gesellschaft für Elektroakustische Musik, der Deutschen Jazzunion, dem Deutschen Komponist:innenverband, dem Deutschen Musikrat, dem Deutschen Tonkünstlerverband, der Gesellschaft für Neue Musik und der Initiative Musik aus sieben Institutionen und Verbänden besteht.
Vertreter:innen dieser Verbände wählen in ihrer Mitgliederversammlung des Musikfonds das Kuratorium. Die Kuratoriumsmitglieder werden für je drei Jahre berufen (mit der Möglichkeit auf eine Verlängerung) und entscheiden dreimal jährlich über die Anträge auf Projektförderungen. Es wird Wert auf verschiedene Diversitätsaspekte bei der Wahl der Kuratoriumsmitglieder gelegt. Das Kuratorium besteht aus zwei Gruppen mit je zehn Personen, die alternierend tagen. Über Anträge in Sonderprogrammen wie den Einzelstipendien, Ensembleförderungen oder inhaltsgebundenen Programmen entscheiden ebenfalls die durch die Mitgliederversammlung gewählten Jurys.
Fördervoraussetzungen
Dank beispielhaft offen formulierter Fördervoraussetzungen können in der Projektförderung Vorhaben in einer großen formalen Bandbreite und mit Summen von 3.001 bis 50.000 Euro gefördert werden. Ab 25.000 Euro muss eine Kofinanzierung vorliegen. Von innovativen Forschungsprojekten über überregionale Tourneen, Einzelprojekte von Ensembles bis zu Musiktheaterproduktionen und kleinen bis mittelgroßen Festivals, aber auch die Kofinanzierung von Programmteilen großer Festivals, sind verschiedene Veranstaltungsformate möglich.
In einem fragilen Gesamtsystem, insbesondere im Kontext einer unterfinanzierten Spielstättenlandschaft, werden durch den Musikfonds Konzerte, Reihen und Festivals ermöglicht, für die es entweder keine kommunale Förderungsmöglichkeiten gibt oder die erst durch die Kofinanzierung vom Musikfonds in den Kommunen als förderwürdig betrachtet werden. Damit kann der Musikfonds insbesondere im ländlichen Raum und in Regionen mit wenig kulturellem Angebot wichtige Impulse setzen.
Hervorzuheben, weil von großer Wirkung, ist die Möglichkeit, Förderung für innovative Einzelprojekte zu beantragen. Insbesondere größere Ensembles benötigen solche Unterstützung, um ein neues Vorhaben anzuschieben – zum Beispiel mit Kompositions- und aufwendigen Probenprozessen und/oder Aufnahmen. Außerdem können innovative und experimentelle Einzelprojekte oder überregionale Tourneen stattfinden.
Zu hinterfragen sind die zunehmend gestellten Anträge zur Kofinanzierung großer Festivals, ebenso die Anträge von staatlich finanzierten, großen Institutionen für einzelne Veranstaltungen, insbesondere wenn der Eindruck entsteht, die Künstler:innen müssten ihre Gage und Produktionskosten selbst mitbringen, um das Budget zu entlasten bzw. um damit ein Engagement überhaupt erst zu ermöglichen. Hier werden indirekt strukturelle Fehlstellen sichtbar, die durch den Festivalfonds der Initiative Musik nur in Teilen geschlossen werden und nicht durch den Musikfonds geschlossen werden sollten.
Der Musikfonds ist wichtiger Teil eines Gesamtsystems und funktioniert besonders gut an Stellen, an denen Partner:innen und weitere finanzielle Mittel aus Ländern und Kommunen zur Verfügung stehen. Einerseits können mit diesen Mitteln dann Projekte langfristig am Laufen gehalten werden, für die der Musikfonds nur Anschub leisten kann. Andererseits ist anhand der Antragslage zu beobachten, dass aus Regionen, in denen es eine starke Kunstförderung gibt, eine hohe Zahl von hochwertigen Anträgen gestellt werden. Das Zusammenspiel zwischen Bund und Ländern braucht also, um nachhaltig wirksam zu sein, in allen Ländern eine flächendeckende und substanzielle Kunst- und Kulturförderung für die freien Akteur:innen.
Vergebene Fördermittel
Über die reguläre Projektförderung wurden im Jahr 2023 1.993.300 Euro und im Jahr 2022 2.018.470 Euro vergeben. Davon sind in die Bereiche experimenteller Jazz und Improvisierte Musik 2023 ca. 435.000 Euro und 2022 ca. 500.000 Euro geflossen. Das entspricht gut 20 Prozent der Gesamtfördersumme. Jazz und Improvisierte Musik waren in den Jahren 2022 und 2023 mit 15 bis 20 Prozent aller eingereichten Anträge neben den Genres ‚Neue Musik‘ und ‚Interdisziplinäre Projekte‘ das drittstärkste Genre. Die Anträge sind mehrheitlich auf exzellentem Niveau und spiegeln den immensen Bedarf in diesem Bereich und die Fehlstellen an anderen Stellen im System (insbesondere was eine ausreichende finanzielle Ausstattung von Spielstätten betrifft). Auch wenn die Förderquote insbesondere im letzten Jahr mit durchschnittlich 7,6 Prozent entmutigend gering war, ist es wichtig, alle Akteur:innen, nicht nur im Bereich experimenteller Jazz und Improvisierte Musik, weiterhin zu ermutigen, Anträge zu stellen, um den Bedarf darzustellen und entsprechenden politischen Forderungen eine Datenbasis zu geben.
Während der Corona-Pandemie ist der Musikfonds um ein Vielfaches seines gewöhnlichen Fördervolumens gewachsen und hat über Sonderprogramme im Rahmen von kurzfristig aufgelegten Stipendien und Ensemble-Förderprogrammen große Summen vergeben, die einerseits an vielen Stellen die Pandemiefolgen abgefedert haben und andererseits exemplarisch gezeigt haben, wie nachhaltig wirksam derartige in künstlerische Arbeit und in Personen investierende Programme sind.
Für das gesamte operative Geschäft des Musikfonds ist die Geschäftsstelle mit einem Team von sieben Mitarbeiter:innen verantwortlich, die seit Beginn von Gregor Hotz kompetent und zugewandt geleitet wird. Hervorzuheben ist die Tatsache, dass mit Hotz eine Person mit der Leitung der Geschäftsstelle eine Person betraut ist, die aus der eigenen Biografie heraus große Szenekompetenz und Affinität mit den Inhalten mitbringt. Damit wird einerseits die Arbeit des Kuratoriums bestmöglich begleitet und andererseits steht den Antragsteller:innen kompetente Beratung zur Verfügung. Auch unter diesem Aspekt agiert der Musikfonds als „Best Practice“-Beispiel.
Dass das Fördervolumen für das Jahr 2024 auf 5,25 Millionen Euro erhöht wurde, ist zwar ein gutes Zeichen. Doch ob das Ziel, diese Summe zu verstetigen und den Musikfonds langfristig zu einer wichtigen Förderinstitution des Bundes für aktuelle Musik zu machen, zu erreichen ist, ist wegen der angespannten Haushaltslage im Bund für die kommende Jahre fraglich.