Jazzbericht 2024
Ausbildung & Nachwuchsförderung in Jazz und Improvisation
Musikschulen
Musikschulen werden primär von jungen Menschen genutzt und sind der wichtigste Ort für den Erstkontakt von Kindern und Jugendlichen mit Jazz und Improvisierter Musik. An den meisten privaten und öffentlichen Musikschulen sind Jazz und Improvisation im Unterrichtsangebot enthalten, wenn auch in deutlich geringerem Ausmaß als klassische Musik. Jazz wird neben dem Einzelunterricht oft im Ensembleunterricht sowie im Rahmen von Workshops vermittelt. Auch für die Vorbereitung auf ein Hochschulstudium im Bereich Jazz sind die Musikschulen unverzichtbar, hier sind insbesondere die „Studienvorbereitenden Ausbildungen“ zu erwähnen. Rund 30 Prozent der professionellen Jazzmusiker:innen nennen öffentliche Musikschulen als Ausgangspunkt auf dem Weg zu einer professionellen Jazzkarriere. Das Fortbestehen des musikschulischen Angebots kann angesichts klammer öffentlicher Haushalte, den damit verbundenen prekärer werdenden Arbeitsbedingungen und eines Fachkräftemangels allerdings nicht als gesichert gelten. Trotz Corona-Pandemie haben 2021 laut dem Statistischen Jahrbuch der Musikschulen in Deutschland 3.016 Schüler:innen in Jazzensembles, 7.161 Schüler:innen in Bigbands und 8.075 Schüler:innen in Rock/Pop-Ensembles gespielt – obwohl das ein Rückgang zwischen 14 und 25 Prozent im Vergleich zu 2013 bedeutet . Hier gibt es dringenden Handlungsbedarf, das musikschulische Angebot für jazzinteressierte Kinder und Jugendliche auszuweiten und zu verbessern, beispielsweise durch die Ausschreibung und Aufstockung von Stellen mit Schwerpunkt im Bereich Jazz/Rock/Pop.
Auch freie Schulen wie die Offene Jazz Haus Schule in Köln spielen in der jazzmusikalischen Ausbildung in Deutschland nach wie vor eine bedeutende Rolle. Lange bevor an staatlichen Musikhochschulen der Jazz als Teil des universitären Kanons anerkannt wurde, bildeten diese meist aus lokalen Jazzmusiker:innen-Initiativen hervorgegangenen Einrichtungen Jazznachwuchs aus.
Ergänzend ist noch eine große Anzahl an Jazzworkshops zu nennen, die unabhängig von Schulen und Musikschulen organisiert werden, oft getragen von Vereinen oder engagierten Einzelpersonen, und die sich meist an Kinder und Jugendliche, teilweise aber auch an erwachsene Laien oder semiprofessionelle Musiker:innen richten. Beispiele sind der „Internationale Jazz Workshop Erlangen“, der „Ladenburger Jazzworkshop“ oder der „Jazzworkshop Lübeck“.
Jazz an Hochschulen
90 Prozent der Jazzmusiker:innen wählen ein Musikstudium als Weg in den Beruf. Rund 5,3 Prozent aller Studierenden in Studiengängen für Musikberufe studieren im Bereich Jazz und Popularmusik. Seit 2000 hat sich die Zahl der Studierenden in diesem Bereich fast vervierfacht (ebd.). Dabei gibt es eigenständige Jazzstudiengänge mit den Abschlüssen Bachelor und Master an Musikhochschulen in Berlin, Bremen, Dresden, Essen, Hamburg, Hannover, Köln, Leipzig, Mainz, Mannheim, München, Nürnberg, Osnabrück, Saarbrücken, Stuttgart, Weimar und Würzburg. In Trossingen kann Jazz und Popularmusik als Zweitfach sowie im Rahmen des Bachelorstudiengangs Musik und Bewegung studiert werden und in Frankfurt am Main wird seit 2022 mit dem „Master Bigband“ ein Kooperationsstudiengang mit der hr-Bigband angeboten. Zudem bieten Musikhochschulen, Universitäten und pädagogische Hochschulen im Rahmen ihrer Lehramtsausbildung häufig Schwerpunktbildungen im Bereich Jazz/Rock/Pop an, beispielsweise in Freiburg oder Rostock. Überblicksdarstellung zu den vielfältigen Ausbildungsstrukturen im Bereich Jazz finden sich auf den Seiten des Deutschen Musikinformationszentrums.
Generell steht es allerdings nicht gut um die Situation der Hochschulen und die Qualität der Lehre in Deutschland. Eine mangelnde Ausstattung von Musikhochschulen, unzureichende Räumlichkeiten und das zu wenige und prekär beschäftigte Personal sind die dringlichsten Kritikpunkte. Ein großer Teil des Unterrichts an Hochschulen wird durch befristete Lehraufträge abgedeckt. Deren Anteil hat sich überproportional entwickelt. Mittlerweile werden bundesweit zwischen 25 und ca. 60 Prozent der Lehrversorgung von Lehrbeauftragten erbracht. Deren Arbeit wird niedriger vergütet als die der Festangestellten und bringt eine unzulängliche soziale Absicherung mit sich. Eine dringliche und von den Lehrenden in den Jazzstudiengängen zumeist wenig beachtete Problematik ist die fehlende Eingliederung der Jazzforschung in die Musikwissenschaftlichen Fakultäten der Universitäten. Nach wie vor verfügt nur die Hochschule für Musik Franz Liszt Weimar derzeit über einen Lehrstuhl und ein eigenes Studienprofil zur Geschichte des Jazz und der populären Musik.
Nachwuchsförderung (Förder-Ensembles, Wettbewerbe)
Schüler- und Jugend(-Big)bands bringen junge Menschen häufig zum ersten Mal aktiv mit dem Jazz in Kontakt. Eine etablierte Struktur bilden dabei die verschiedenen Jugendjazzorchester der Länder sowie das Bundesjazzorchester (BuJazzO) in Trägerschaft des Deutschen Musikrats, welches sich in erster Linie an Studierende bzw. angehende professionelle junge Musiker:innen richtet. Wichtig wäre der flächendeckende Ausbau von Angeboten, die jüngere Schüler:innen an die Jugendjazzorchester heranführen und so ein Bindeglied zwischen (Musik-)Schulbigbands und Landes-Jugendjazzorchestern bilden.
Bereits seit den 1980er-Jahren gibt es in den Bundesländern die Landeswettbewerbe Jugend jazzt, die von den Landesmusikräten getragen werden. 1997 gab es die erste länderübergreifende Bundesbegegnung Jugend jazzt in der Trägerschaft des Deutschen Musikrats. Einige Jazzfestivals und Musikhochschulen haben inzwischen eigene Wettbewerbe, die in der Regel für Studierende und Musiker:innen unter 30 Jahren ausgeschrieben sind. Zu nennen wären hier beispielsweise der Junge Deutsche Jazzpreis in Osnabrück oder der „European Young Artist‘s Jazz Award“ Burghausen.
Ziele & Handlungsempfehlungen für Ausbildung & Nachwuchsförderung
- Flächendeckende Sicherung der kommunalen Musikschulen mit fairen Arbeitsbedingungen; Erhöhung der Stundenkontingente für Jazz
- Verbesserung der Situation an Hochschulen bzgl. Ausstattung und Personal
- Schaffung sicherer Arbeitsplätze im musikpädagogischen Bereich durch Länder und Kommunen
- Erhöhung des Anteils Lehrender mit Festanstellung, Lehraufträge wieder im Sinne des ursprünglichen Zwecks zur Ergänzung der Lehre