Festivals

Festivals sind eine wichtige Säule der Jazz- und Improvisationskultur in Deutschland. Neben einigen namhaften Festivals mit großer Tradition und internationaler Strahlkraft wie dem Jazzfest Berlin, dem Deutschen Jazzfestival Frankfurt oder Enjoy Jazz in Rhein-Neckar gibt es in vielen Bundesländern regional ausstrahlende Großereignisse. In den vergangenen zehn Jahren entstanden neue, teils unkonventionell konzeptionierte und kuratierte Festivals wie zum Beispiel NUEJAZZ in Nürnberg, die Monheim Triennale, die Cologne Jazzweek oder XJAZZ! in Berlin, mit denen die Festivallandschaft erweitert wird.

Festivals bieten dem Publikum konzentrierte Einblicke in aktuelle Entwicklungen des Jazz aus dem In- und Ausland. Sie geben Musiker:innen oftmals die einzige Möglichkeit, eigene große und finanziell aufwendige Projekte oder Auftragskompositionen zu realisieren. Newcomern und noch unbekannten Künstler:innen bieten sie die Chance, sich Aufmerksamkeit unter anderem vor Fachpublikum zu verschaffen. Konzertmitschnitte von Festivals, ob über die Rundfunkanstalten oder im digitalen Raum, finden weit über deren Zeitrahmen und geografische Lage hinaus Verbreitung. Zunehmend kommt der Impuls für lokale Festivals auch aus der Musikszene selbst – wie beispielsweise vom KLAENG Festival Köln oder der Jazzwoche Berlin, der Jazzwoche Hannover und den Kollektiv Nights Berlin.

Umfrage der BK Jazz im Frühjahr 2024

Generell haben in den zurückliegenden Jahrzehnten Musikfestivals in Anzahl, Umfang und Bedeutung in der Musikszene zugenommen. Auch im Jazz lässt sich ein stetig steigender Trend beobachten. Belastbare Daten sind schwierig zu erheben aufgrund der starken Heterogenität. Im Europe Jazz Network, dem europäischen Zusammenschluss von Veranstalter:innen, sind momentan über 70 Festivals in Deutschland gelistet. Viele dieser Festivals haben bereits vor der Corona-Pandemie stattgefunden. Da sich viele der Folgen dieser Pandemie erst nach und nach zeigen, stützt sich das Gros der folgenden Aussagen auf eine interne (und nicht repräsentative) Befragung von 15 Jazzfestivals, die gezielt von der BK Jazz angeschrieben und exemplarisch für Festivals mit vergleichbarem Format befragt worden sind. Die Umfrage thematisiert Konzertdichte, Zuschauerzahlen und Auslastung, Förderung sowie Umsatz. Die Spannbreite reicht von etablierten und „alten“ Festivals wie dem moers festival, Enjoy Jazz oder dem Jazzfest Berlin bis hin zu neueren Festivals wie dem Magnet Festival in Wiesbaden, der Cologne Jazzweek oder der Monheim Triennale.

Diese Festivals präsentieren über einen zeitlich definierten Rahmen, in der Regel vier bis sechs Tage, unterschiedliche Facetten des Jazz und der Improvisierten Musik. In wenigen Fällen ist der Festival-Zeitraum länger als eine Woche. Sie alle verbindet, dass sie mindestens fünf bis maximal zehn Konzerte pro Tag veranstalten; der Durchschnitt liegt bei sieben Konzerten. Dies verdeutlicht den Festival-Charakter: Es wird über einen kurzen Zeitraum ein vielschichtiges Programm präsentiert, von Newcomern bis zu etablierten Künstler:innen und Ensembles. In den meisten Fällen treten bereits existierende Ensembles auf, aber vermehrt sind neue Produktionen und spezifische kuratorische Elemente zu beobachten. So sind es zum Beispiel das Magnet Festival, das Jazzfest Berlin, die Cologne Jazzweek oder die Monheim Triennale, die vermehrt einzelne Künstler:innen-Persönlichkeiten in den Mittelpunkt stellen und neue Ensembles oder Projekte um diese Personen herum kuratieren. Zumeist ist dieser Ansatz kostenintensiver in der Proben- und Kompositionsarbeit – als bei bereits existierenden Ensembles.

In der Regel wurden diese Festivals 2023 mit 30 bis 40 Prozent öffentlich gefördert. Überwiegend kommt die Förderung aus den Kommunen, in den meisten Fällen bezuschussen auch noch die jeweiligen Bundesländer. In vielen Fällen muss die Förderung jedes Jahr neu beantragt werden. Das erschwert eine Planungssicherheit und muss durch größtmögliche Flexibilität und erhöhten Arbeitsaufwand kompensiert werden. Der Bund tritt, mit Ausnahme des moers festivals, nicht als Förderer in Erscheinung. Eine Ausnahme gab es während der Corona-Pandemie und der Förderung im Rahmen von NEUSTART KULTUR in den Jahren 2021 und 2022 über die Initiative Musik, die im Schnitt rund 15 bis 20 Prozent des Umsatzes ausgemacht hat. 

Die Einnahmen über den Verkauf von Tickets variieren bei den Festivals stark. Hier ist auffällig, dass vor allem jüngere Festivals ca. 15 bis 20 Prozent ihrer Umsätze über Ticketverkäufe machen, während die älteren und größeren Festivals um die 30 Prozent durch den Verkauf von Eintrittskarten erwirtschaften. Die Einnahmen durch Sponsoring und private Drittmittel fallen je nach Wirtschaftskraft der Region unterschiedlich aus. Auffällig ist jedoch, dass kein Festival mehr als 20 Prozent durch Sponsoring einnimmt – und dass keines der befragten Festivals durch den Ticketverkauf und Sponsoring allein, also ohne öffentliche Förderung, stattfinden könnte.

Im Bereich Nachhaltigkeit hat sich in den letzten Jahren ein neues Bewusstsein entwickelt. So geben alle Festivals an, CO2 einsparen zu wollen, indem innereuropäisches Touring und Reisen per Bahn organisiert und Catering vermehrt regional-saisonal und auch vegetarisch und vegan angeboten wird.

Bewertung der Umfrage

Festivals können Schwerpunkte setzen und Profile ausbilden – das macht sie gleichermaßen für Musiker:innen wie Besucher:innen attraktiv. Von Festivals gehen neue Impulse für den Jazz aus, weil sie immer auch Foren des Austauschs über Musik und ein Spiegelbild in die Gesellschaft hinein sind.

Die Corona-Pandemie hat in den Jahren 2021 und 2022 die Entwicklung vieler Festivals gestoppt. Teilweise sind Konzerte ausgefallen oder das Publikum blieb fern. Hinzu kamen die allgemein gestiegenen Preise ab 2022, die auch in der (Jazz-)Festivallandschaft deutlich zu spüren waren: Die Produktions- und Reisekosten sind erheblich, teilweise um bis zu 30 Prozent gestiegen. Dies konnte durch die NEUSTART-KULTUR-Förderung der Initiative Musik abgemildert werden, jedoch ist diese Förderung 2023 ausgelaufen. Der neue „FestivalFörderFonds“ (FFF) wird dies nicht kompensieren können, weil die Fördersummen weitaus geringer ausfallen. Wurden in den Corona-Jahren 2021 und 2022 mehr als 150 Millionen Euro über NEUSTART KULTUR ausgeschüttet, so waren im FFF-Topf für 2023 (für alle Musikgenres vertreten in der Initiaitive Musik) nur fünf Millionen Euro, die bis 2025 auf drei Millionen Euro gekürzt werden.

Verglichen mit zahlreichen Spielstätten und Konzertreihen sind Festivals noch am ehesten in der Lage, angemessene Musiker:innen-Gagen zu zahlen und neue Produktionen zu initiieren. Jedoch sind auch hier die Auswirkungen der letzten Jahre (unter anderem Energiekrise, Pandemie, verändertes Publikumsverhalten) spürbar und die gestiegenen Kosten vor allem für Technik, Reise und Übernachtung kaum noch auszugleichen. Neben einer längerfristigen Planungssicherheit durch Kommunen, Länder und Bund braucht es dringend Anhebungen der Förderung, mindestens so hoch wie die Inflation seit 2022. Nur so lässt sich die geforderte Festival-Mindestgage in Höhe von 675 Euro, die der Deutsche Musikrat pro Tag und Musiker:in zahlen lassen will, fest verankern und die internationale Bedeutung und Qualität von Festivals in Deutschland steigern.

Ziele & Handlungsempfehlungen

  • Reformierung der Initiative Musik und deren Förderprogramme

  • Längerfristige Planbarkeit durch die Verstetigung öffentlicher Mittel und durch Mehrjährigkeit der Förderung

  • Erhöhung der Mittel (insbesondere für Jazz und Improvisierte Musik) vom „FestivalFörderFonds“ des Bundes bzw. Etablierung eigener Bundesförderung für Jazzfestivals