Jazz in Deutschland

Eine Vorbemerkung: Um komplexe musikwissenschaftliche Definitionen zu vermeiden, wird hier in diesem einleitenden Text ebenso wie im übrigen Bericht der Terminus „Jazz“ als Sammelbegriff verstanden, der verschiedene Ausprägungen dieser Musikform beschreibt und in sich vereint. Jazz hat sich in Teilen unabhängig von seinen afroamerikanischen Wurzeln und Traditionen hierzulande zu einer europäischen Improvisationsmusik entwickelt, die sich im Wesentlichen als Live-Performance dem Publikum vermittelt.

Jazz in Deutschland ist ästhetisch heterogen und speist sich aus vielen Quellen. Mal wird er als Post-Free-Jazz oder Neo-Cool beschrieben, mal geht er Allianzen mit elektronischer Musik ein oder verbrüdert sich mit Indie-Rock, mal darf er museal klingen, mal Elemente aus der Historie dieser Musik verarbeiten, dann reicht er den Klangkörpern der Neuen Musik die Hand und wird zur Kunst- und Gegenwartsmusik. All das ist heutzutage selbstverständlicher Bestandteil von Jazz und Improvisierter Musik in Deutschland.

Für nicht wenige gibt einem der Jazz durch die Möglichkeiten der Improvisation ein Instrumentarium an die Hand, um mit einer Musik, die aus dem Moment heraus entsteht, die Widersprüche unserer modernen Gesellschaft aufzugreifen sowie politische Zusammenhänge zu erfassen und zu analysieren. Weil diese Musik durch die Instrumentalist:innen auch aus dem Stegreif bearbeitet, geformt und strukturiert wird, zählt im Jazz nicht allein das fertige Werk, sondern der Prozess des Entstehens, des Zuhörens und Interagierens – deshalb wird Jazz als authentisch wahrgenommen.


Transkulturalität


Weil Jazz seit jeher eine transkulturelle Musik ist, in der kulturelle Identität auch und gerade durch die Vermischung verschiedener Traditionen entsteht, ist er gleichermaßen universell wie für alle verständlich. Transkulturalität ist dieser Musik gleichsam in die Wiege gelegt worden, als der Jazz an der Wende zum vergangenen Jahrhundert im Melting Pot New Orleans im Süden der USA als Teil der Kultur der Afroamerikaner:innen entstanden ist, deren Eltern und Großeltern noch wenige Jahre zuvor als Sklav:innen Fronarbeit für die weißen Südstaaten-Sklavenhalter:innen leisten mussten. Wie selbstverständlich hat der Jazz vor gut 100 Jahren etwa die Jigs und Reels der irischen Einwanderer:innen aufgesogen, so wie auch den Klezmer der jüdischen Emigrant:innen aus Osteuropa oder das rhythmische Clave-Pattern der afrokaribischen Musik. Gleichgültig, wohin es den Jazz danach auf seiner Wanderschaft erst durch die Vereinigten Staaten, später dann nach Europa und in den Rest der Welt verschlug, überall trug dieser Transformationsprozess neue Früchte, die zeigten, wie vielfältig und divers Jazz ist.


Jazz OST/WEST

Die zwölf Jahre Hitler-Diktatur bis 1945, als Jazz zur „entarteten Kunst“ wurde, von den Nazis geächtet war und das verboten wurde, was sich in den 1920er-Jahren der Weimarer Republik als Jazzmusik entwickelt hatte, konnten nichts daran ändern, dass diese ursprünglich afroamerikanische Musik hier ihren Siegeszug angetreten hat. Jazz fiel nach Ende des Zweiten Weltkriegs sowohl im Westen als auch im Osten Deutschlands auf fruchtbaren Boden, weil er gleichermaßen als Befreier von der nationalsozialistischen Diktatur verstanden wie auch als Soundtrack für Freiheit und Frieden gehört wurde.

Während die Musiker:innen in der neu entstehenden Bundesrepublik Deutschland im Westen anfangs die (afro)amerikanischen Vorbilder imitierten und vor allem aus dem Cool Jazz einen eigenen Dialekt zu formen verstanden, so mussten die Jazz-Akteur:innen in der DDR erst noch ideologische Widerstände überwinden, bevor die politische Nomenklatur dort Jazz als Musik der einst durch den Klassenfeind USA unterdrückten Sklav:innen betrachtete.

Im Westen revoltierte man Mitte der 1960er-Jahre gegen die Vorbilder aus den USA, indem man deren Traditionen über den Haufen warf, um eine spezifisch als europäisch zu identifizierende Improvisationsmusik entstehen zu lassen. In der Folge dieses Bildersturms der westeuropäischen Free-Jazz-Avantgarde differenzierten sich Jazz und Improvisierte Musik nicht nur in Deutschland, sondern auch im Rest von Europa immer weiter aus. Wie anderswo auch fusionierte Jazz mit Rock und Mainstream-Jazz integrierte wie selbstverständlich Elemente einer frei improvisierten Musik. Zudem wurde man sich immer stärker des eigenen, musikkulturellen Terroirs bewusst und nutzte es als Fundus zur Improvisation. Und die Rebellion der Europäer:innen machte es überhaupt erst möglich, fortan auf Augenhöhe mit den afroamerikanischen Musiker:innen zusammenzuarbeiten.

Im Osten ging man etwas ruhiger zur Sache. Das Genre Jazz und seine Akteur:innen wurden dort als Tanzmusik Teil der staatlichen Kultur. Nur wer eine behördliche Erlaubnis hatte, durfte Tanzmusik (darunter fielen alle „nicht-klassischen“ Genres wie eben auch der Jazz) spielen. Diese Erlaubnis erhielten nur Menschen, die diese Musik studiert hatten. Deshalb ist 1962 eine Abteilung an der Hochschule für Musik Carl Maria von Weber in Dresden eingerichtet worden, wo Tanzmusik bzw. Jazz gelernt werden konnten.

Natürlich kam der Free Jazz auch in den Osten. Die DDR-Musiker:innen gingen aber anders damit um als ihre West-Kolleg:innen. Antifaschismus war in der DDR Staatsräson. Deshalb fiel es den Jazzmusiker:innen in Ostdeutschland leicht, für sich das Reservoir an deutschen Volksliedern zu nutzen, die sie mit einer Free-Jazz-Haltung spielten. Bands wie SOK oder Modern Soul versuchten sich zudem an Legierungen aus Jazz, Funk, Rock und Soul; man ließ sich auch sich auf Experimente mit Jazz-fernen Genres wie Minimal Music ein. Im Osten wurden bis 1989 durch die staatliche Kultur- und Gastspieldirektion Auftritte und (kleine) Tourneen internationaler Jazzkünstler:innen (und nicht wenige aus dem offiziell so bezeichneten „nichtsozialistischen Wirtschaftsgebiet“) organisiert, die oftmals die „heimlichen Stars“ in den (Studenten-)Clubs und auf den Festivals waren – hier fand ein kreativer Austausch zwischen Ost und West auf Augenhöhe statt. Für das Publikum waren Jazzkonzerte in der Regel Freiraum ohne die allgegenwärtige marxistisch-leninistische Doktrin – und Refugium für „Andersdenkende“ in der DDR.

Die Szene im Westen hatte sich bis 1989 etabliert. Während viele der Profimusiker:innen regelmäßig Tourneen durch die Jazzclubs machten, die sich gleich nach Kriegsende im gesamten Bundesgebiet gegründet hatten (und sich 1952 zur Deutschen Jazz Föderation zusammenschlossen), waren die Stars aus den USA oftmals Headliner auf den Jazzfestivals in Deutschland.

Die Strukturen waren in der alten Bundesrepublik eher informell und basierten hauptsächlich auf dem Engagement einzelner Aktivist:innen aus der Musiker:innen-Szene, den Jazzredaktionen der ARD-Hörfunkanstalten und weiterer Medien wie dem 1952 zum ersten Mal publizierten Jazz Podium, den Clubs und Festivals sowie einigen Indie-Jazzplattenfirmen.

Ein wichtiges Ereignis für den bundesrepublikanischen Jazz war 1973 die Gründung der Union Deutscher Jazzmusiker (UDJ) in Marburg, deren Mitglieder sich dafür stark machten, dass Jazz und Improvisierte Musik im Kanon der bundesdeutschen Kulturpolitik verankert werden. Die Gründung der Initiative Kölner Jazz Haus 1978 sorgte schon bald für frischen politischen Wind in der Szene auch jenseits der Kölner Stadtgrenzen und fand mit dem Start des Stadtgarten 1986 als eine von Musiker:innen verantwortete Spielstätte für Jazz und Improvisierte Musik über Deutschland hinaus Beachtung.

Nach der Wende

Kultur und Förderung von Kultur waren in den Jahren nach dem Fall der Mauer 1989 in der Regel nicht auf den politischen Agenden verortet. Wie in nahezu allen gesellschaftlichen Bereichen in Ostdeutschland wurde im Zuge der Wiedervereinigung auch im Jazz das Gros der Strukturen zerschlagen, die vielen Ost-Berufsmusiker:innen bis 1989 ein Auskommen sicherten. Oftmals hatte man in diesen vielleicht anderthalb Jahrzehnten nach der Wende sogar den Eindruck, dass die reale Mauer zwischen Ost und West bis dahin für viele Jazzmusiker:innen durchlässiger gewesen als die sprichwörtliche Mauer in den Köpfen der Menschen danach.

Etwas neidisch schaute man in dieser Zeit hinüber zum Nachbarn Niederlande, wo schon in den 1990er-Jahren begonnen wurde, Jazz und Improvisierte Musik durch flankierende kulturpolitische Maßnahmen einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Später war es Norwegen, das man hier wegen seiner stabilen Förderstrukturen geradezu als Paradies für Jazz und Improvisierte Musik wahrgenommen hat.

Hierzulande ging es erst ab 2002 richtig los. Um Kulturpolitik aus Jazzperspektive voranzubringen und Jazz und Improvisierte Musik auf der kulturpolitischen Agenda zu verorten, machte sich die Bundeskonferenz Jazz (BK Jazz) als Zusammenschluss aller wichtigen Bereiche aus deutschen Akteur:innen und Initiativen auf den Weg. 

Mit dem „Eckpunktepapier Jazz“ verankerte man 2007 Jazz und Improvisierte Musik aus Deutschland in der Popularmusik-Förderung des Bundes, dem 2014 ein umfassender Bericht über „Jazz in Deutschland“ folgte.

2006 ging in Bremen zum ersten Mal die jazzahead! als internationale Fachmesse und Branchentreff an den Start – mit dem von der BK Jazz verantworteten Showcase-Festival German Jazz Meeting (GJM) als Leistungsschau des Jazz aus Deutschland. Aufgrund fehlender nachhaltiger Finanzierung durch die öffentliche Hand musste das im Sinne der Exportförderung erfolgreiche GJM nach drei Ausgaben eingestellt werden und ist ab 2011 durch die anders konzipierte German Jazz Expo ersetzt worden.

Von Bedeutung war 2010 die „Initiative für einen starken Jazz in Deutschland“, als vor allem jüngere Musiker:innen begannen, die altehrwürdige UDJ (seit 2019 Deutsche Jazzunion) neu aufzugleisen. Mit Erfolg: Mit den anderen Mitgliedern der BK Jazz hat man zum Beispiel zusammen die grundlegende Idee für den seit 2013 ausgelobten Spielstättenprogrammpreis des Bundes, APPLAUS, entwickelt, zudem war man gemeinsam an der Initiierung des Deutschen Jazzpreises beteiligt, der 2021 zum ersten Mal in insgesamt 31 Kategorien vergeben worden ist. Zwei „Best Practice“-Beispiele, die zeigen, wie zielgerichtet Jazz und Improvisierte Musik gefördert werden können.

Im November 2016 trat Till Brönner mit seiner Idee eines „House of Jazz Berlin“ an die Öffentlichkeit. 12,5 Millionen Euro wollte der Bund dafür bezahlen, dass Teile des Gebäudekomplexes Alte Münze in Berlins Mitte in ein Jazzhaus umgebaut werden. Das Leuchtturm-Projekt des prominenten Trompeters löste eine Diskussion innerhalb der Szene aus. Die IG Jazz Berlin als Interessenvertretung der Hauptstadt-Jazzakteur:innen und die Deutsche Jazzunion erarbeiteten daraufhin partizipativ Inhalte und formulierten mit Brönner ein neues Konzept. Nach dem Beschluss des Abgeordnetenhauses Berlin 2018, die Alte Münze als Kultur­ort für die freie Szene zu entwickeln, und einem Beteiligungsverfahren sollte dort eine Ankerinstitution für Jazz und Improvisierte Musik entstehen. Bauplanungen für diesen integrativen und progressiven Produktions-, Präsentations-, Vermittlungs- und Vernetzungsort wurden 2022 abgeschlossen. Dennoch bleibt unklar, ob und wie diese Ankerinstitution als ein „Zentrum für Jazz und Improvisierte Musik“ realisiert werden kann, weil die politische Neuausrichtung in Berlin eine Verortung in der Alten Münze unwahrscheinlich macht.

In Köln ist man da schon weiter. 2018 wurde damit begonnen, den Stadtgarten Köln zum „Europäischen Zentrum für Jazz und Aktuelle Musik“ auszubauen und diese Spielstätte institutionell zu gleichen Teilen vom Land Nordrhein-Westfalen und der Stadt Köln zu fördern. Ermöglicht wurde dieses Vorhaben durch das 2015 beschlossene NRW-Kulturfördergesetz und Kölns Kulturentwicklungsplan, in denen die musikkulturelle und kulturpolitische Bedeutung des Stadtgarten für das Land und die Stadt hervorgehoben wurden.

Hier und Heute

In den zurückliegenden 20 Jahren sind durch verschiedene kulturpolitische Maßnahmen und Initiativen der BK Jazz Strukturen entstanden, mit denen die Jazzszene heute innovationsfreudiger und vielfältiger denn je dasteht. Aber sind diese Strukturen stark genug, um die Zeiten der multiplen Krisen, die spätestens mit der Corona-Pandemie 2020 angebrochen sind, zu überwinden? Und werden diese Strukturen von allen Protagonist:innen auch genutzt, um zu zeigen, wie vital und lebendig, wie kreativ, vielfältig und fordernd Jazz aus Deutschland mittlerweile ist?

Jazz ist eine fluide Musik, die in Teilen aus dem Moment heraus im Jetzt entsteht – auch und gerade als Ergebnis der Improvisationskunst von Instrumentalist:innen auf der Bühne über Sprachgrenzen, über kulturelle oder soziale Barrieren hinweg. Jazz und Improvisierte Musik bescheren den Musiker:innen und dem Publikum ein gemeinsames Erlebnis, das wesentlich durch den zusammen erlebten Moment und gegenseitige Resonanz geprägt ist.

Jazz wird an 19 staatlichen Hochschulen, die ein Vollstudium anbieten, gelehrt. Ist Jazz deshalb akademisch? Zuerst einmal nein: Im besten Fall lernen Studierende des Jazz an einer dieser Hochschulen den Schutz einer Community kennen, in dem sie an ihrer Musik wie in einem Versuchslabor arbeiten und ohne Druck von außen experimentieren und forschen können. Aber dann auch ja: Im schlechtesten Fall gleicht sich nämlich durch die ähnlichen Curricula der Hochschulen der ästhetische Ausdruck vieler Studierender an. Die Jazzausbildung steht hierzulande vor einer ähnlichen Aufgabe wie der deutsche Fußball mit seiner Nachwuchsarbeit: Es muss gelingen, das Anarchische eines Bolzplatzes so in die universitäre Ausbildung einzubinden, dass der kreative Output der Studierenden unterstützt und herausgefordert wird.

Neben den Spielstätten sind Festivals die Podien hierzulande, auf denen, zumeist konzentriert auf wenige Tage, Neues ausprobiert und dem Publikum präsentiert wird. In letzter Zeit haben sich Festivals gegründet, die andere Wege zu gehen versuchen: entweder, dass Orte bespielt werden, in denen ansonsten kein Jazz zu hören ist, dass nicht mehr ein:e künstlerische:r Leiter:in das Festival verantwortet, sondern ein Team die Musik kuratiert, oder dass im Programm Allianzen mit anderen Gattungen und Genres gesucht werden. Zudem lässt man sich auf neue Formen der Präsentation ein, wie zum Beispiel mit Musiker:innen-Residenzen oder Kooperationen mit anderen Festivals. Das gilt mittlerweile auch für einige alte und traditionsreiche Festivals wie zum Beispiel für das Jazzfest Berlin oder das moers festival, und auch im Bereich der Spielstätten. Spielstätten und Festivals kümmern sich zudem ebenso um nachhaltige umweltfreundliche Produktions- und Präsentationsbedingungen wie um sogenanntes „Green Touring“, mit dem CO2-Emissionen auf ein Minimum reduziert werden.

Überhaupt stellt sich die Szene vermehrt der Aufgabe, die Musik der Gegenwart des 21. Jahrhunderts zu präsentieren. Dafür fusioniert man längst nicht mehr nur mit anderen Gattungen und Sparten der populären Musik. Vielmehr wird der Schulterschluss mit der Neuen Musik gesucht, um die ästhetische Binarität von Komposition und Improvisation aufzulösen und mit neuen, bislang vielleicht unbekannten Arten der musikalischen Praxis zu experimentieren.

Jahrzehntelang waren Jazz und Improvisierte Musik reine Männer-Clubs – Ausnahmen wie die deutsche Pianistin Jutta Hipp, die Schweizer Pianistin Irène Schweizer oder die englische Saxofonistin Barbara Thompson bestätigen die Regel. Das ändert sich seit geraumer Zeit. Die, wenngleich langsam wachsende Zahl an Instrumentalistinnen verdeutlicht das ebenso wie die Tatsache, dass „Jazzfrauen“ als Professorinnen in die Hochschulen und als Kuratorinnen in die Spielstätten und Festivals Einzug gehalten haben.

Jazz ist auch queerer geworden. Immer mehr homosexuelle und nicht-binäre Menschen sind wichtige Bestandteile des Jazzlebens in Deutschland geworden. Dass aber noch ein Stück weit Weg zurückzulegen ist, lässt sich unter anderem daran erkennen, dass zum Beispiel in den vier ARD-Jazzorchestern gerade einmal anderthalb Stellen mit Frauen besetzt sind. Auch und gerade deshalb sind Initiativen wie das Essener Musikerinnen-Kollektiv PENG mit seinem Festival oder der Zusammenschluss Queer Cheer aus Berlin notwendiger denn je.

Obwohl es die Politik lange Zeit ignoriert hat, ist Deutschland schon seit den 1950er-Jahren, als die ersten sogenannten „Gastarbeiter“ in die alte Bundesrepublik kamen, ein Einwanderungsland. Jazz per se ist gleichermaßen multikulturell hinsichtlich ethnischer Diversität wie transkulturell in Bezug auf Identitätsfindung. Im Grunde ist Jazz also wie geschaffen dafür, den in Deutschland lebenden Musiker:innen mit migrantischen Biografien eine Perspektive, mehr noch: eine kreative Heimat zu geben, in der sie sich adäquat entfalten und vielfältige Projekte entwickeln können. Das trifft auch auf das Publikum hierlande zu, das mittlerweile genauso divers ist wie die Musiker:innen-Szene. Die Politik muss nur zukünftig noch mehr Sorge tragen, dass es stabile Strukturen gibt, um diesem Anspruch gerecht zu werden.

Jazz ist auch politisch. Das trägt dieses Genre seit seiner Genese vor gut 100 Jahren in New Orleans als Musik der Afroamerikaner:innen in sich. Denn Jazz bedeutet praktizierte Solidarität, weil er erst im Zusammenspiel mit anderen Menschen seine ganze Kraft und volle Stärke entfalten kann.

Literatur

  • Wolfram Knauer: „Play Yourself, Man! Die Geschichte des Jazz  in Deutschland“, Stuttgart 2019.
  • Maximillian Hendler: „Prehistory of Jazz.“ Beiträge zur Jazzforschung/studies in jazz research 16, Wien 2023.
  • Wolfram Knauer (Hg.): „Jazz in Deutschland.“ Darmstädter Beiträge zur Jazzforschung 4, Darmstadt/Hofheim 1996.
  • Ekkehard Jost: „Free Jazz. Stilkritische Untersuchungen zum Jazz der 60er Jahre“, Hofheim 1975/2002.
  • Klaus Wobert (Hg.): „That‘s Jazz. Der Sound des 20. Jahrhunderts“, Darmstadt/Frankfurt|Main 1988/1997.